Hochglanzterminal mit Fehlstart – London Heathrow T5

Von J. Höfler

Der Flughafen London Heathrow (IATA-Code LHR) hatte schon immer mit einem schlechten Ruf zu kämpfen. Enge, Verspätungen und viel zu lange Warteschlangen gehörten zum Alltag. Der Grund lag vor allem darin, dass der Flughafen weit über seinen geplanten Kapazitäten arbeitete. Die infrastrukturellen Einrichtungen waren auf die Abfertigung von 45 bis 55 Millionen Fluggästen pro Jahr ausgelegt, im Jahr 2007 nutzten jedoch bereits 68 Millionen Passagiere den drittgrößten Verkehrsflughafen der Welt. Abhilfe sollte das 2008 eröffnete Terminal T5 leisten, von dem in Zukunft 40 % der Reisenden abfliegen sollen.[1]


Abb. 2.38 Blick vom Vorfeld auf T5

Flughafen London Heathrow

Die Geschichte des größten Londoner Flughafens beginnt im Jahr 1946, als dieser unter dem schlichten Namen „London Airport“ eröffnet wird. Gut zehn Jahre später findet von hieraus der erste Nonstop-Flug nach Kalifornien statt, womit der Rekord bezüglich Flugstrecke und Flugzeit gebrochen wird. Im Jahr 1966 erhält der Flughafen seinen heutigen Namen „Heathrow“. Drei Jahre später wird das Terminal T1 eröffnet und die bereits bestehenden Terminals „Europe“ und „Oceanic“ in T2 und T3 umbenannt. Die Anbindung an das Verkehrsnetz der Londoner Innenstadt wird im Jahr 1977 durch eine eigene U-Bahn-Station erreicht. Um den Fluggästen einen noch schnelleren Transport ins Zentrum zu ermöglichen wird rund 20 Jahre später der Heathrow Express, der im 15-Minuten-Takt verkehrt, installiert. Bis zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 2006 wurden in Heathrow insgesamt gut 1,4 Milliarden Passagiere und 140 Millionen Flüge abgefertigt. 2008 folgten die bis dato letzten beiden Meilensteine des Flughafens, als zum ersten Mal ein Airbus A380 in Heathrow landet und das neue Terminal T5 eröffnet wird.[2]

Wichtige Kennzahlen LHR 2009[3]:

–       65,9 Millionen Passagiere, 1,3 Millionen Tonnen Fracht

–       460.026 Flugbewegungen, durchschnittlich 1.260 pro Tag

–       90 Fluggesellschaften, 179 Destinationen

–       wichtigste Zielflughäfen: New York (JFK), Dubai, Dublin,

Amsterdam, Hongkong

–       92 % internationale Gäste

In den folgenden Jahren wird weiter in den Ausbau des Flughafens investiert. Nach über 60 Jahren im Betrieb wurde das Terminal T2 abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt, das künftig ausschließlich die Mitglieder der Star Alliance beherbergen soll. Zwar bietet das neue Terminal zunächst keine Kapazitätserweiterung, jedoch beinhaltet es die neueste Technik. Auch das bereits renovierte T1 soll bis 2019 durch ein neues Gebäude ersetzt werden und dann gemeinsam mit T2 ein komplett neues Terminal mit einer Kapazität von 30 Millionen Passagieren pro Jahr bilden. Im Jahr 2009 wurde dem Flughafen zudem die Unterstützung der Regierung bezüglich dem Bau einer dritten Start- und Landebahn zugesagt. Des Weiteren ist bereits ein sechstes Terminal in Planung. In Folge dieser Um- und Neubaumaßnahmen soll sich die Kapazität von LHR bis zum Jahr 2030 auf 116 Millionen Passagiere pro Jahr erhöhen.[4]

Der Glaspalast von Heathrow - Terminal T5

Die Planungen für ein neues Terminal an Londons größtem Flughafen begannen im Jahr 1989 mit einem Architektenwettbewerb, welchen die Designer von Richard Rogers Partnership (kurz RRP) für sich entschieden. T5 sollte Heathrows Position als Europas führendes Drehkreuz bekräftigen und die ausgeschöpften Kapazitäten des Flughafens um 30 bis 35 Millionen Passagiere pro Jahr erweitern.[5]

Bis zur endgültigen Zustimmung der Regierung zum Bauvorhaben vergingen allerdings noch zwölf Jahre. Hauptgrund war eine öffentliche Untersuchung bezüglich des Flughafenausbaus, die von 1995 bis 1999 stattfand und einige Änderungen am ursprünglichen Entwurf von RRP vorsah. Nachdem diese im Designkonzept umgesetzt wurden und die Regierung ihre Zustimmung gegeben hatte, konnten im Jahr 2002 endlich die Bauarbeiten beginnen.[6]

Das Hauptgebäude Terminal 5A ist 396 Meter lang, 176 Meter breit, 40 Meter hoch und wird durch eine 30.000 m² große Glasfassade umspannt. Zum einen leitet diese viel Tageslicht in das Gebäude, was Energie spart und zudem als natürlicher Wegweiser für die Passagiere dient. Zum anderen bietet es einen hervorragenden Blick nach außen, auf das Vorfeld sowie auf die Start- und Landebahnen.[7]

Besonderes Merkmal des Gebäudes ist das gebogene Dachgewölbe. Im ursprünglichen Konzept sollte es noch aus fünf Wellen unterschiedlicher Größe bestehen. Um Kosten einzusparen und eine höhere Flexibilität zu gewährleisten wurde das Design dann jedoch vereinfacht. Das Dach überspannt freischwebend das gesamte Gebäude, es wird durch geneigte Säulen am Rand gestützt und benötigt somit keinerlei Träger im Innenbereich. Auf diese Weise entsteht die Möglichkeit, innerhalb des Gebäudes bauliche Modifikationen durchzuführen, ohne die Dachstruktur ändern zu müssen. Bei der Installation des Dachs konnten keine üblichen Kräne verwendet werden, da diese auf Grund der Höhe des Terminals die Radarsysteme des Flughafens gestört hätten. Deshalb wurde das Dach zunächst am Boden auf dem Vorfeld zusammengesetzt und mit Hilfe von hydraulischen Einrichtungen von unten nach oben angehoben. Auch für die Mitarbeiter der Flugsicherheit im Kontrollturm war das neue Gebäude zu hoch, sie hätten die Flugzeuge hinter T5 nicht mehr erblicken können. Deshalb wurde ein neuer, 87 Meter hoher Turm in der Nähe von T3 erbaut. [8]


Abb. 2.39 Dachkonstruktion von T5 während der Bauphase

Da T5 nur über zwölf der insgesamt 60 direkten Parkpositionen für Flugzeuge verfügt, wird der Hauptteil der Flüge von den beiden Satellitenterminals, die als kleine Versionen des Hauptgebäudes angelegt sind, abgefertigt. Die Passagiere gelangen unterirdisch durch eine fahrerlose Bahn, ein sogenanntes „Track Transit System“, zu den Satelliten. Die Fahrtzeit beträgt nur rund 45 Sekunden, innerhalb einer Stunde können bis zu 6.800 Passagiere befördert werden. Für die Anbindung an das öffentliche Schienennetz befindet sich unterhalb des Hauptgebäudes ein Bahnhof, der als Haltestelle für den Heathrow Express und die U-Bahn-Linie Piccadilly dient. Somit kann die Londoner Innenstadt bequem ab T5 erreicht werden.[9]

Die Kosten für das gesamte Projekt belaufen sich auf rund fünf Milliarden Euro, an denen sich der exklusive Nutzer von T5, die Fluggesellschaft British Airways (BA), mit rund 490 Millionen Euro beteiligte. So konnte BA von Beginn an mit in den Planungs- und Entscheidungsprozess einbezogen werden.[10]

Eröffnung mit Hindernissen

Die Eröffnung von T5 sollte dem schlechten Ruf von London Heathrow ein Ende bereiten. Im Vorfeld wurde das neue Gebäude in den Medien als Lösung für die andauernden Probleme gepriesen. Gedrängel und lange Warteschlangen im Abfertigungsbereich sowie häufige Flugverspätungen sollten der Vergangenheit angehören. Das „Ende der Chaostage“ von Europas größtem Drehkreuz wurde vorausgesagt.[11]

Um einen reibungslosen Ablauf bei der Eröffnung am 27.03.2008 zu gewährleisten, wurden während einer sechsmonatigen Testphase alle Abläufe mit 16.000 Freiwilligen geprüft. Dennoch entwickelte sich der Eröffnungstag auf Grund mehrerer kleiner Fehler und Probleme, die im Vorfeld meist hätten verhindert werden können, zur Katastrophe für den Flughafen und British Airways. Einige dieser Probleme und Fehler werden im Folgenden kurz erläutert:[12]

–       Gepäcksystem

Das neue Gepäcksystem startete am Morgen des Eröffnungstages nicht wie geplant. Da nur wenige Beschäftigte beim Praxistest einbezogen wurden, und nur kurze Einführungskurse für Mitarbeiter stattfanden, konnte das Problem nicht schnell genug behoben werden. So stapelten sich im Lauf des Tages mehrere tausend Koffer, die wegen des defekten Computers die Sicherheitskontrollen nicht passieren konnten. Des Weiteren wurde das Gepäck von Umsteigepassagieren teilweise zur Gepäckausgabe fehlgeleitet. Durch einen weiteren Computerabsturz gingen die Kofferkennungen verloren, weshalb die Zielorte neu erfasst werden mussten. Aus diesen Gründen wuchs der Kofferberg im Laufe des Tages stetig an.

–       Mitarbeiter

Für einen Eröffnungstag, bei dem unverhoffte Ereignisse mit eingeplant werden müssen, wurde zu wenig Personal eingeteilt. Außerdem fanden sich viele Mitarbeiter im neuen Gelände nicht zurecht, weshalb sie verspätet am Arbeitsplatz erschienen. Aus diesem Grund stand den ganzen Tag zu wenig Personal zur Verfügung, woraufhin es zu langen Warteschlangen am Check-in, den Sicherheitskontrollen und den Umbuchungsschaltern kam. Auch zur Sortierung des aufgestauten Gepäcks fehlten Einsatzkräfte. Das vorhandene Personal wurde zudem schlecht geschult und nicht ausreichend informiert. So konnten sie weder bei technischen Problemen eingreifen, noch die Passagiere hinreichend aufklären, was zu großer Unzufriedenheit unter den Reisenden führte.

–       Passagiere

Die Passagiere fanden sich im neuen Terminal wegen fehlender Beschilderungen ebenfalls schlecht zurecht. Außerdem arbeiteten nur ein Viertel der Aufzüge korrekt, weshalb es zu Staus an den Treppen kam. Statt der erwarteten 80 % nutzten nur wenige Passagiere die Selbstbedienungsautomaten zum Check-in. Somit kam es zu langen Warteschlangen an den Check-in-Schaltern, weshalb viele Passagiere ihre Abfluggates zu spät erreichten, und auf andere Flüge umgebucht werden mussten.

–       Sicherheitskontrolle

Das System der Sicherheitskontrollen offenbarte technische Fehler, die bei den Probeläufen nicht erkannt wurden. Zudem waren viele Mitarbeiter auf Grund mangelnder Einweisung nicht in der Lage, das neue Durchleuchtungssystem korrekt zu bedienen. Durch diesen Umstand wuchsen die langen Warteschlangen an den Kontrollen weiter an, was wiederum zu zusätzlichen Verspätungen führte.

–       Planung und Krisenmanagement

Die Mitarbeiter, die direkt mit den technischen Anlagen arbeiten sollten, wurden im Vorfeld nicht ausreichend mit ihnen vertraut gemacht. Obwohl bei den letzten Prüfungen Mängel festgestellt wurden, sollte das neue Terminal bereits am Eröffnungstag voll ausgelastet werden, was einen zusätzlichen Druck für Mensch und Technik darstellte. Des Weiteren wurden vorab keine Notfallpläne oder Ausweichmöglichkeiten für eventuelle Schwierigkeiten festgelegt. Die Informationen bezüglich der Systemfehler wurden nur sehr zögerlich an das Personal weitergegeben, die somit die Passagiere nicht ausreichend informieren konnten.

Die Startprobleme von T5 führten zu weiteren Verspätungen und Flugannullierungen an den folgenden Tagen. Erst nach gut zwei Wochen normalisierte sich der Terminalbetrieb. Insgesamt mussten während dieser Zeit rund 500 Flüge gestrichen werden. Etwa 30.000 Koffer blieben in Heathrow zurück und wurden später per LKW nach Mailand transportiert, wo ein Kurierservice die Gepäckstücke sortierte und ihren rechtmäßigen Besitzern zustellte. Der finanzielle Schaden für British Airways belief sich auf gut 30 Millionen Euro, der Imageverlust für die Fluggesellschaft und den Flughafen ist jedoch noch höher einzustufen. So steht T5 für viele Reisende mittlerweile für „terrible five“, und die Abkürzung BA von British Airways wird von vielen Geschäftsreisenden als „buche anderswo“ interpretiert.[13] [14]

Nutznießer des Chaos waren zum einen die direkten Konkurrenzfluggesellschaften am Flughafen Heathrow, die von den alten Terminals abfliegen. Hier arbeiteten alle Systeme korrekt, weshalb viele Passagiere auf andere Linienfluggesellschaften umstiegen. Zum anderen konnten Billigfluggesellschaften wie beispielsweise Easyjet, die an den anderen Londoner Flughäfen stationiert sind, ebenfalls einen Buchungszuwachs vermerken.[15]



[1] vgl. Plath D., Rothfischer B., Das große Buch der Verkehrsflughäfen, München 2008, S. 29f.

[2] vgl. o.V., Our history, www.heathrowairport.com (Internet), o.S.

[3] vgl. o.V., Facts and figures, www.heathrowairport.com (Internet), o.S.

[4] vgl. o.V., Rebuilding Heathrow, www.heathrowairport.com (Internet), o.S.

[5] vgl. o.V., Terminal 5 information pack, www.heathrowairport.com (PDF), o.O., o.J., S. 1

[6] vgl. o.V., www.richardrogers.co.uk (Internet), o.S.

[7] vgl. o.V., Terminal 5 information pack, a.a.O., S. 1, 6

[8] vgl. o.V., www.richardrogers.co.uk (Internet), o.S.

[9] vgl. o.V., T5 information pack, a.a.O., S. 3

[10] vgl. Münck R., Gimme five, FVW 15.06.2007, S. 42

[11] vgl. Münck R., Ende der Chaostage, FVW 15.02.2008, S. 81

[12] vgl. Kiani-Kress R., Leendertse J., Horror von Heathrow, WirtschaftsWoche 14.04.2008, S. 86

[13] vgl. Kiani-Kress R., Leendertse J., a.a.O., S. 86

[14] vgl. Kielinger T., Die Spur der Koffer, Die Welt 03.04.2008, S. 1

[15] vgl. o.V., Blamage im T5-Format, FVW 11.04.2008, S. 85